Der Morgen beginnt stiller als sonst. Nur das leise Rauschen der Wellen, das gelegentliche Knacken einer Palme im Wind. Es ist der letzte Tag des Jahres, und Ilhabela liegt in einem sanften Zwielicht – als würde die Insel selbst kurz innehalten, bevor sie das neue Jahr begrüßt.
Ich bin früh aufgestanden, noch bevor der Himmel Farbe annahm. Die Kamera hängt an meiner Schulter, der Sand ist kühl unter meinen Füßen. Der Horizont glimmt, zuerst in blassem Grau, dann in einem zarten Rosa, das sich langsam in Gold verwandelt.
Ich drücke den Auslöser, aber nicht oft. Heute geht es nicht um das perfekte Foto – es geht um das Sehen.
Ein Jahr im Licht
Während die Sonne langsam über dem Meer aufgeht, denke ich an die letzten Wochen: an das Ankommen, den Regenwald, die Gesichter, die Farben. Ilhabela hat mich gelehrt, wie sich Licht anfühlt, wenn man es nicht jagt, sondern ihm Raum gibt.
Fotografie ist für mich längst mehr als Technik. Sie ist eine Art zu atmen, zu verstehen. Jeder Sonnenstrahl auf dieser Insel war ein Kapitel – flüchtig, aber echt.
Der letzte Sonnenaufgang des Jahres erinnert mich daran, dass auch das Licht sich ständig wandelt. Dass jedes Ende nur ein Übergang ist, jeder Schatten nur eine Pause zwischen zwei Momenten der Helligkeit.
Abschied und Aufbruch
Später, als das Meer in vollem Glanz liegt, setze ich mich in den Sand. Neben mir steht eine kleine Tasse Kaffee, noch warm, süß und stark – wie das Leben hier.
Morgen fahre ich weiter nach Rio de Janeiro, um Silvester dort zu erleben. Réveillon, wie die Brasilianer sagen – die große Nacht am Meer, wo alle in Weiß gekleidet sind und Wellen für Glück zählen.
Aber noch bin ich hier. Und dieser Morgen gehört nur Ilhabela.
Ich beobachte, wie ein Fischer sein Boot hinauszieht, wie Kinder im Wasser lachen, wie Möwen durch die ersten Sonnenstrahlen gleiten. Alles bewegt sich in einem Rhythmus, der älter ist als der Kalender.
Ich atme tief ein, halte den Moment fest – nicht mit der Kamera, sondern mit der Seele.
Zwischen Himmel und Meer
Der Himmel brennt jetzt in Gold und Blau, das Wasser glitzert wie flüssiges Licht. Ich weiß, dass ich gehen werde, aber ich nehme etwas mit: das Gefühl von Weite, von Dankbarkeit, von Leben in Bewegung.
Vielleicht ist das die schönste Art, ein Jahr zu verabschieden – nicht mit Lärm und Feuerwerk, sondern mit Stille, Meer und Licht.
Nächstes Kapitel:
Réveillon in Rio – Wenn der Himmel explodiert und das Meer die Wünsche trägt.

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